"Mut zur Tat – bei allen Beteiligten" 

Diskussion zum Thema Wohnungsbau beschleunigen und preiswerter machen

am 21. August 2023


Der große Saal des Franz-Hitze-Hauses war voll bei der Veranstaltung des Politischen Forums Mehr Mut zur Tat. Mehr als 100 Teilnehmer waren zur Diskussion mit NRW-Wohnungsbau­ministerin Ina Scharrenbach, Sylvia Rietenberg, Fraktionssprecherin und wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Rat der Stadt Münster und den Architekten Michael Maas aus Münster und Ronald Stattmann aus Enschede gekommen.

 

Ina Scharrenbach nahm das Thema "Mut" gleich auf: Hinter den vielen Vorschiften steckten immer Interessen, und Bebauungspläne ermöglichten den Gemeinden, sehr detaillierte und oft kostenträchtige Vorschriften zu machen. Dagegen zeigten die Niederlande, dass es auch mit weniger Einflussnahme geht und städtische Quartiere oft viel variabler sind. NRW habe eine Baukostensenkungskommission eingesetzt, "die ihren Namen verdient" und wolle Einfluss auf die Akteure im Bund nehmen, den Vorschriften-Dschungel wirklich zu straffen.

 

Sylvia Rietenberg verwies auf die preislichen Auswirkungen knapper werdenden Baulands. Münster habe auf diese Entwicklungen mit dem Ankauf vieler Flächen reagiert und könne nun Einfluss nehmen, dass bei der Planung neuer Baugebiete der geförderte Wohnungsbau nicht zu kurz kommt. Allerdings müsse der weitere Flächenverbrauch reduziert werden, einer höheren Bebauung, auch im Bestand, führe kein Weg vorbei.

 

Michael Maas forderte, bezüglich der Normen für’s Bauen "mit einem weißen Blatt Papier" anzufangen, sich auf das wirklich Notwendige zu konzentrieren und vor allem flexiblere Nutzungen zu ermöglichen. In Altenheimen dürften keine Zimmer nach Norden gebaut werden, in Wohnungen für Berufstätige seien kleine Home-Office-Zimmer nicht erlaubt und zwei behindertengerechte WCs für 3-Personen-Studentenwohnungen seien absurd. Die energetischen Anforderungen an neue Wohnungen ließen sich preislich adäquat nur mit dicken Dämmungen erfüllen, die später Sondermüll werden, statt andere nachhaltigere Baumaterialien zu ermöglichen. Sein Büro habe mit einem KI-System allein in Münster 100.000 qm versiegelte Flächen (Parkplätze, Höfe, Dachflächen, …) identifiziert, die bebaut werden können. Auch er plädierte für mehr Höhe in den aktuellen Bauten.

 

Ronald Stattmann erläuterte, warum Bauen in den Niederlanden oft einfacher und schneller geht. Die am Bau Beteiligten setzten sich von Anfang an zusammen, beziehen die Behörden und Anwohner frühzeitig ein, man sein aber auch bereit, relativ früh Entscheidungen zu treffen, die dann für alle Beteiligten maßgeblich sind. So vielfältige Klage-Möglichkeiten gegen Bauvorhaben wie in Deutschland gebe es in den Niederlanden nicht. Seit 2017 gibt es keine Bebauungspläne mehr, vielmehr werden alle Vorhaben unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessen lokal geplant, und bei kleinen Baumaßnahmen gibt es nur einige Rahmen-Vorschriften.

 

In der Diskussion ging es einerseits konkrete Ansatzpunkte für Beschleunigung und Kostensenkung, z.B. Bebauungspläne, die mit Blick auf § 34 des Baugesetzbuchs auch in bestehenden Wohngebieten mit Augenmaß höheres Bauen ermöglichen, aber auch Veränderungen in den Schallschutz-Vorschriften und den Vorgaben zum Brandschutz. Manche kostensenkenden Ansätze, z.B. serielles Bauen, werden lt. Scharrenbach noch viel zu wenig genutzt; Anträge für Typengenehmigungen würden bisher kaum gestellt. Andererseits werden manche Erleichterungen blockiert, beispielsweise beim Schallschutz durch das Bundesumweltministerium, beim Brandschutz durch Feuerwehren. Schallschutz ist jedenfalls ein gutes Beispiel schnell möglicher Verbesserungen: Das Einhalten der Grenz­werte bei Lärm von normalem Verkehr (Straßenverkehrslärm) wird im Inneren eines Gebäudes gemessen, z.B. hinter schallisolierenden Fenstern. Gewerbelärm wird dagegen außen gemessen; selbst wenn der Gewerbelärm nicht größer ist als der Straßenverkehrs­lärm, werden Neubauten unmöglich oder verlangen sehr große und teure Lärmschutzwände o.ä.  Die TA Lärm sollte also schnell angepasst werden.

 

Scharrenbach wies abschließend darauf hin, dass auch das bestehende Baurecht den kommunalen politischen Gremien und den Baudezernenten und Bauämtern durchaus mehr Möglichkeiten gebe, z.B. im Bestand wirt­schaftliche Lösungen zu ermöglichen. Alle Referenten waren sich einig, dass mehr Mut bei allen Beteiligten durchaus mehr Fortschritt beim Wohnungsbau ermöglichen würde.

 

Einen Bericht der Westfälischen Nachrichten finden Sie hier, ein Thesenpapier, das zur Vorbereitung der Veranstaltung diente, hier.